Tell the truth

Das Motto von Extinction Rebellion, einer Bewegung, die in Großbritannien ihren Anfang genommen hat, die sich in ihren gewaltfreien Aktionen des zivilen Ungehorsams in der Tradition Mahatma Gandhis sieht, und mit ihren Die-Ins, dem simulierten öffentlichen Sterben, darauf aufmerksam macht, dass wir uns, unsere Mitgeschöpfe und unsere Erde gerade zugrunderichten – in einem atemberaubenden Tempo.

Dieses Motto möchte ich mir heute zu eigen machen. Tell the truth. Die Wahrheit ist, dass wir niemals die 1,5°C mehr halten werden. Das war gleich nach dem Pariser Abkommen klar, dessen Ziele, selbst wenn alle Welt sie einhalten und umsetzen würden, nicht zu 1,5°, sondern zu deutlich über 3° führen werden. 1,5° wird von Experten als gerade noch handhabbar angesehen. Die Auswirkungen dieser Erwärmung können wir noch absehen und damit zurecht kommen. Das sieht bei 2° schon nicht mehr so aus. Da werden wohl Kipppunkte erreicht bzw. überschritten. Kipppunkte: the „point of no return“, wenn das Flugzeug nur noch durchstarten, aber nicht mehr landen kann. Es gibt von dort kein Zurück mehr. Nicht für viele Tausende von Jahren. Kipppunkte, das Schmelzen des Grönlandeises – wohl bereits überschritten, der Verlust des Amazonas, in Arbeit durch die brasilianische Regierung, das Auftauen des Permafrostes!!! – wir haben lt. neuesten Erkenntnissen beim Permafrost ein Stadium erreicht, das eigentlich erst für 2090 vorhergesagt wurde, die Mengen an CO2 in der Atmosphäre: über 400 ppm. Wissenschaftler haben nun festgestellt, dass sie die Wechselwirkungen dieses komplexen Klimasystems bisher nicht ausreichend berücksichtigt haben. 10 Jahre Zeit, um die Kurve zu kriegen? Leider nein. JETZT!!! müssen wir die Kurve kriegen.

Ich habe zwei Kinder und drei Enkelkinder. Wie ist das bei Ihnen? Die älteste ist drei.

Die Entwicklung schreitet mit 7-Meilen-Stiefeln voran. Kaum einer merkt es. Gerade haben wir weltweit 1° Temperaturanstieg über dem sogenannten vorindustriellen Niveau. Das wird ab ca. 1850 gerechnet. Bis dahin haben wir aber auch schon temperaturmäßig etwas zugelegt. Es ist also eigentlich mehr. Deutschland liegt über diesem Schnitt. Hitzewelle in Deutschland: 40° und mehr. Feuer in der Arktis. Der Moorboden brennt, hinterlässt dunklen Boden für mehr Aufheizung. In den Alpen bilden sich unverhoffte Gletscherseen. München hängt mit seiner Wasserversorgung an den Gletschern, die sich früher durch Neuschnee immer wieder erneuert haben. Wasser, ausbleibender Regen, niedrig fallende Flussstände, abgeschaltete Kraftwerke – kein Kühlwasser – von wegen Atomkraft, geht nicht mehr, wenn die Temperatur steigt und der Regen ausfällt. In Frankreich brennen Felder! Bei uns stirbt der Wald. Dabei wollten wir vor wenigen Tagen noch das Klima mal kurz mit Aufforstung retten. Wie kann man aufforsten, wenn der Regen fehlt, die Erde staubtrocken und hart ist, kein Schatten ringsum? Alles theoretische Gedankenspiele, ohne Überlegungen für die Praxis. Die Fichte, der Baum, mit dem wir unsere Dachstühle bauen, unser Bauholz, hält die Temperatur und die Trockenheit nicht mehr aus. Die Kiefer ebenso wenig. Die Buche … „Die Natur passt sich an.“ Ja. Wenn es für die Natur auf natürliche Weise anders wird, d.h. ganz allmählich, über Jahrtausende, Evolution halt. Aufrechter Gang und so, haben wir auch nicht innerhalb von 200 Jahren gelernt.

Rückgang der Insekten, die Vögel, die Amphibien, die Nahrungsketten.

Was ist los mit uns? Können wir nicht mehr selbst denken? Sehen wir nicht mehr, was um uns geschieht? Die Warnzeichen? Glauben wir wirklich, die riesige Welle am Horizont wäre einfach exorbitant schön und was für das Fotoalbum (gibt es das noch?)? Der Eisberg voraus ist einfach nur grandios? Das Rauschen in der Ferne kein Wasserfall? Was glauben wir? Das alles gut wird? NEIN!!! Es sei denn, wir handeln endlich! Es sei denn, wir schließen uns den Protesten von Fridays for Future und Extinction Rebellion an. Sofa dann später wieder. Lebensweise ändern! Es ist genau so, wie die Jugendlichen es uns jeden Freitag sagen. Es ist genau so, wie die Wissenschaftler von Scientists for Future bestätigen. Es ist genau so, wie der Weltklimarat es angemahnt hat: Every action counts. Jede Handlung zählt! Es zählt tatsächlich, ob wir mit dem Auto oder mit dem Fahrrad fahren, es ist nicht egal, ob wir mal kurz in den Urlaub fliegen, oder uns einen neuen SUV – wozu eigentlich, unsere Straßen sind nicht derart schlecht, oder? – zulegen. Es ist so, wie es gesagt wird: CO2 erhöht die Temperatur, die Erderwärmung ist menschengemacht, der Apfel fällt wegen der Schwerkraft vom Baum, die Erde dreht sich um die Sonne und sie ist keine Scheibe! „Daran glaube ich nicht“, was soll man dazu noch sagen? Wissenschaftliche Erkenntnisse sind Fixpunkte, man kann sie nicht glauben. Der Glaube gehört in eine andere Kategorie.

Mein Apfelbaum bekommt gelbe Blätter, es ist der 25. Juli 2019. Die Bäume in der Stadt halten die wiederholte Trockenheit nicht aus. Bäume – sie spenden Schatten, sie kühlen die Umgebung merklich ab, sie beherbergen alle mögliche Arten, bieten ihnen Schutz und Lebensraum. Sie nähren unsere Seele – stellen Sie sich eine Welt ohne Bäume vor! Eine Stadt ohne Bäume! Waldspaziergänge – nie mehr? Wälder in Küstennähe ziehen den Regen an. Keine Wälder in Küstennähe, kein Regen. Keine Bäume in der Stadt? Was meinen Sie, was mit den Temperaturen geschieht. Asphalt, ungedämpft, staubig, heiß. Die gemessenen Temperaturen – sie sind Schattentemperaturen! In der Sonne messen wir nicht. Schatten nur aus Häuserschluchten? So baute man in südlichen Ländern, eng, damit die Gassen Schatten bieten. Bei uns bieten wir möglichst vielen Autos Platz auf breiten Straßen. Bäume filtern auch Feinstaub.

Gegen diesen Wahnsinn anschreiben, gegen die Gleichgültigkeit, gegen die Unverbundenheit mit unserer Umwelt. Nehmen wir überhaupt noch wahr, was um uns herum passiert? Oder sind wir so mit Arbeit, Verpflichtungen, schneller, immer schneller, noch ein Termin, beschäftigt, dass wir gar nicht mehr merken, dass unsere Lebensgrundlagen schlicht zugrunde gehen? Wann werden wir das merken? Wenn wir erkennen, dass die Welle ein Tsunami ist, unser Schiff am Eisberg zerschellen wird, das Tosen ein Wasserfall ist, den wir nicht überleben werden? Wie viele Bilder, wie viele Analogien, Metaphern brauchen wir, damit wir endlich ernst nehmen, dass wir in einer veritablen Krise stecken??? In DER Krise?

Wir sind nicht auf dem Pfad von 1,5°, wir sind auf einem Pfad, der das Überleben gefährdet, schlicht und einfach das Überleben. Es verunmöglicht. Menschliches Leben braucht einen entsprechenden Lebensraum. Tiere auch. Pflanzen ebenso. In der Hitze machen sie ihre Spaltöffnungen zu, auch Wasser kann da nicht mehr helfen. Hitze, in Ländern wie Indien noch gepaart mit hoher Luftfeuchte, ist schnell für den Organismus zu viel. Es braucht keine dauerhaft hohen Temperaturen, für geschwächte Personen reicht eine Hitzewelle. Wie viele Krankenhausplätze stehen zur Verfügung für lange Hitzeperioden und Menschen, deren Kreislauf das einfach nicht aushält?

Wir verlassen den Bereich des Machbaren, die Natur hat ihre Gesetze. Zu heiß? Zu trocken? Zu lange?

Gegen diesen Wahnsinn anschreiben. Wach rütteln.

Wie viele Enkelkinder haben Sie?

Tell the truth. Die Wahrheit sagen.

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